Gläubiger dürfen die vorgerichtliche Effektivität
eines Inkassodienstleisters nutzen
Das LG Duisburg hat entschieden (14.11.14, 7 S 45/14, FMP 15, 99): Eine Gläubigerin
ist auch unter Schadensminderungsgesichtspunkten nicht verpflichtet,
einen Antrag im gerichtlichen Mahnverfahren zu stellen, statt vorgerichtlich ein
Inkassounternehmen zu beauftragen, nachdem sie die von ihr zu erwartenden
üblichen Eigenbemühungen zur Forderungsbeitreibung unternommen hat.
Zwei Mahnungen erfolglos
Das LG folgert den Anspruch auf
Ersatz vorgerichtlicher Inkassokosten
aus §§ 280, 281, 286 BGB. Grund:
Der Schuldner befand sich mit der
Zahlung von 2.273,50 EUR gemäß
§ 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB in Verzug.
Ausweislich der vorgelegten Rechnung
war die Forderung innerhalb
von zehn Tagen nach Erhalt der Ware
auszugleichen. Dies ist unstreitig
– auch nach zweimaliger Mahnung –
nicht erfolgt, sodass sich der Schuldner
zum Zeitpunkt der Auftragserteilung
an das Inkassounternehmen in
Verzug befand.
Inkassokosten = Verzugsschaden
Die durch die Einschaltung eines
Inkassounternehmens entstandenen
Kosten stellen grundsätzlich einen
erstattungsfähigen Verzugsschaden
dar (BeckOK-Unberath, BGB, 31. Edt.,
zu § 286 Rn. 74). Dies gilt jedenfalls,
soweit ein wirtschaftlich denkender
Mensch diese Maßnahme für zweckmäßig
und notwendig halten durfte
(BGH NJW-RR 09, 43). Dementsprechend
besteht eine Ersatzpflicht hinsichtlich
der Inkassokosten nicht,
wenn der Schuldner erkennbar zahlungsunwillig
oder -unfähig ist. Denn
es ist insoweit voraussehbar, dass
später ohnehin ein Anwalt damit
beauftragt werden muss, zu klagen
(OLG Hamm NZBau 06, 516).
Praxishinweis: Diese Sicht der Dinge
ist allerdings nicht zutreffend.
Wenn der Schuldner sich nämlich
nicht aktiv wehrt, muss kein Anwalt
beauftragt werden. Denn auch das
Inkassounternehmen darf seit dem
1.7.08 nach § 79 Abs. 2 Nr. 4 ZPO einen
Antrag zur Titulierung im gerichtlichen
Mahnverfahren stellen und
dann die Mobiliarzwangsvollstreckung
betreiben. Hierauf sollte stets
hingewiesen werden.
Finanzieller Engpass des SU
Im Fall des LG wurde unstreitig auf
einen „finanziellen Engpass“ hingewiesen.
Ob allein ein solcher Hinweis
ausreicht, um eine erkennbare Zahlungsunwilligkeit
oder -fähigkeit zu
bejahen, ließ das LG aber dahinstehen,
da der Schuldner nach Einschaltung
des Inkassounternehmens den
restlichen Kaufpreis gezahlt hat.
Zahlt der Schuldner nach Einschaltung
des Inkassounternehmens, können
dessen Kosten unter dem Gesichtspunkt
des rechtmäßigen Alternativverhaltens
als Verzugsschaden
verlangt werden (BeckOK-Unberath,
a.a.O.). Dies ergibt sich daraus, dass
der Gläubiger bei erkennbarer Zahlungsunfähigkeit
jedenfalls einen
Anwalt zwecks Durchsetzung seiner
Forderung beauftragen darf. Hätte die
Klägerin nicht ein Inkassounternehmen,
sondern einen Anwalt beauftragt,
wären die nun geltend gemachten
Kosten als Anwaltskosten in gleichem
Umfang angefallen.
Vorgerichtliche Beitreibung
Anders als der Schuldner meint,
musste die Gläubigerin auch aus
Schadensminderungsgesichtspunkten
keinen Mahnantrag stellen, statt ein
Inkassounternehmen einzuschalten.
Die zu erwartenden üblichen Eigenbemühungen
im Zusammenhang mit
der Einziehung der Forderung hatte
die Gläubigerin unternommen.
Eigenbemühungen erforderlich
Der Gläubiger muss sich angemessen
darum kümmern, dass er seine
geschäftlichen Forderungen einzieht.
Dies kann er etwa dadurch, dass er
weiter mahnt oder androht, ein Inkassounternehmen
einzuschalten (Staudinger-Löwisch/Feldmann,
BGB, Neubearbeitung
2009, zu § 286 Rn. 222).
Hier hatte die Gläubigerin den Schuldner
unstreitig zweimal gemahnt
– und auch angedroht, ein Inkassounternehmen
einzuschalten – und mit
der Ehefrau des Schuldners hinsichtlich
der Forderung telefoniert.
Ein größeres Maß an Eigenbemühungen
ist auch bei einer geschäftlichen
Forderung nicht geboten, so das LG.
Als Folge muss der Schuldner die
Inkassokosten ersetzen, die sich
unstreitig auf 281 EUR belaufen. Die
Höhe dieser Kosten ist nicht zu beanstanden.
In diesem Zusammenhang
ist zu beachten, dass die Kosten
eines Inkassounternehmens nicht
die bei der Beauftragung eines
Anwalts entstehenden Kosten (nach
§ 4 Abs. 5 RDGEG) übersteigen dürfen.
Vorliegend entsprachen die Kosten
einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr
nach RVG zuzüglich Auslagenpauschale,
sodass der Kostenrahmen
eingehalten worden ist.
Kein einfaches Schreiben
Der Einwand verfängt nicht, bei dem
Aufforderungsschreiben des Inkassounternehmens
handele es sich um
ein einfaches Schreiben mit der Folge,
dass bei Beauftragung eines
Anwalts nach Nr. 2301 VV RVG nur
eine 0,3 Gebühr angefallen wäre.
Zum einen hat sich die Tätigkeit nicht
nur auf das Aufforderungsschreiben
beschränkt. Zum anderen kommt es
darauf auch letztlich nicht an. Denn
für die Frage, ob eine Gebühr nach
Nr. 2301 VV RVG abzurechnen ist,
kommt es auf den Auftrag an und
nicht darauf, wie sich die Tätigkeit des
Anwalts nach außen hin darstellt
(Teubel in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., zu
Nr. 2301 VV Rn. 2; Goebel, ZfM 15, 22).
Eskalation generiert Zahlung
Das LG hat richtig gesehen, dass die
Eskalation in der Forderungsbeitreibung,
also die vorgerichtliche Übergabe
der vom Gläubiger mehrfach angemahnten
Forderung an den Rechtsdienstleister,
geeignet ist, den Schuldner
zu veranlassen, zu zahlen. Nicht
nur im konkreten Fall war dieser sog.
Bearbeiterwechsel zahlungsauslösend.
Eine solche Reaktion zeigt sich häufig.
Die dabei entstehenden Kosten sind
für den Schuldner immer noch geringer,
als die durch einen Mahnbescheid
und die Vollstreckung oder ein Klageverfahren
ausgelösten Kosten.
Quelle: Newsletter BS-Software Nr. 3/2015